Die Jury von Kunst im öffentlichen Raum Tirol 2025 bestehend aus Catrin Bolt (Künstlerin, Wien), Katharina Hölzl (Künstlerin, Wien) und Lino Lanzmaier (Architekt, Innsbruck) empfiehlt nach der Sitzung am 26.09.2024 die vier Projekte Hinschauen von Nicole Weniger, LÜFTLMURALISMO von Kornelia Kugler und Christian Diaz Orejarena, Abgesoffen von Lois Hechenbleikner und Störfaktoren des Kollektivs KünneGrote zur Umsetzung.
Die vier ausgewählten Projekte nehmen direkten Bezug zum ausgeschriebenen Jahresthema 2025 STÖRFAKTOREN,die im Moment der Störung ihr Potenzial entfalten und so neue Räume öffnen. Störfaktoren, die unvermittelt konfrontieren, aufwirbeln und Problemstellen sichtbar machen.
In dem Projekt Hinschauen beschäftigt sich die Künstlerin Nicole Weniger mit dem Ort und der Geschichte des Mädchenheims Martinsbühel der Benediktinerinnen bei Zirl. Nicht unweit von Innsbruck entlang der Inntalautobahn ist die Anlage des Mädchenheims gut zu sehen. Jahrzehntelang wurden Mädchen von den dort arbeitenden Nonnen missbraucht und gefoltert. Ans Tageslicht kam dies erst in den letzten Jahren, obwohl das Heim noch bis 2008 in Betrieb war. In Zusammenarbeit mit jungen Schnalzer*innen erarbeitet Weniger eine Performance, die das traditionelle Schnalzen aufgreift und in einen emanzipatorischen Moment des Austreibens umkehrt. Hinschauen soll einen Impuls geben, sich mit der Geschichte dieses Ortes auseinanderzusetzen und die Aufarbeitung der grausamen Verbrechen weiterzuführen. Die Performance soll in Abstimmung mit der Dreier Kommission Martinsbühel erarbeitet werden.
In einer Verbindung des klassisch-handwerklichen Lüftl-Freskos mit dem lateinamerikanischen gesellschaftskritischen und partizipativen Muralismo erzeugen Kornelia Kugler und Christian Diaz Orejarena ein Lüftl-Mural im Tiroler Ötztal. Sowohl der Entstehungsprozess als auch das Bild selbst sind als diskursive Collage konzipiert, inspiriert und mitgestaltet von Gesprächen mit Anwohner*innen, durch den Einsatz von KI und den aktuellen Entwicklungen der bildgebenden Landschaft. Die machtkritische Ausrichtung des Muralismo erweitert die biedere Folklore des Lüftls um die Debatten der Gegenwart zu einem provokativen Diskussionsansatz, der mitten im Ortszentrum von Umhausen im Ötztal platziert wird. Die Anwohner*innen werden zu Expert*innen in einem Prozess, der das Heile-Welt-Lüftl zu einem sozial-politischen Bildmedium transformiert und die alltägliche Dystopie umfassend reflektiert.
Das Projekt Abgesoffen von Lois Hechenblaikner wird einen gut besuchten Speicherteich während der Sommermonate 2025 mit einer kinetischen Installation bespielen. Mit Hilfe einer Konstruktion, die unter der Wasseroberfläche versteckt bleibt, werden 150 Skier senkrecht, mit den Spitzen aus dem Teich ragend angebracht. Sowohl konzeptionell als auch auf der Ebene der Konstruktion und des verwendeten Materials behandelt die Einreichung den Tiroler Massentourismus und seine Folgen für den Klimawandel. Die Installation stört einen beliebten Fotohintergrund von Wander*innen und schlägt so in pointierter Weise eine Brücke zum fotografischen Werk des Künstlers.
Die Intervention Störfaktoren des Kollektivs KünneGrote greift mit humorvollem Blick in die konkreten städtebaulichen Ereignisse einer für Tirol typischen dörflichen Durchfahrtsstraße ein. Der Projektvorschlag verfolgt das Ziel, Häuser, die buchstäblich mit dem Rücken zur Straße stehen, weil Gehsteige für den Verkehrsfluss entfernt wurden, visuell zu unterstützen. Durch die Anbringung von Schutzmatten, Kletterseilen und Karabinern werden die Hausecken zu wuchernden Schutzzonen, die die Frage aufwerfen, wer vor wem geschützt wird. Was oft bereits leer steht, wird als Ort der Intervention aktiviert und mit einem von den Künstlerinnen geleiteten Workshop begleitet.
“Eine Störung bezeichnet die Verschiebung einer Ordnung, eine verursachte Veränderung von Struktur, von Gleichgewicht, eine Beunruhigung, die sich in der Oberfläche dokumentiert.“
Esther Kinsky in Störungen
Störungen als oftmals unliebsame Beeinträchtigungen und Fehlstellen sind ein unvermeidlicher Teil unseres Lebens. Wenn sie sich vermeintliche Lücken und Leerstellen zu eigen machen, können Störungen auch als konstruktive Kraft gelesen werden.
Sie agieren im Verborgenen und werden oftmals erst in jenen Momenten evident, in denen sie sich selbst zu erkennen geben. Als Methode der Unterbrechung bestehender Ordnung können Störungen zu einer Notwendigkeit werden, indem sie systemische Missstände und Fehler sichtbar werden lassen.
Kunst im öffentlichen Raum Tirol sucht 2025 nach künstlerischen Projekten, die im Moment der Störung ihr Potenzial entfalten und so neue Räume öffnen. Störfaktoren, die unvermittelt konfrontieren, aufwirbeln und Problemstellen sichtbar machen.
Schlagwörter: Störfaktor – Störung – Glitch – Zerstörung – Lücken – Leerstellen – Möglichkeiten
EINREICHFRIST
20.08.2024
ALLGEMEINES
Die Förderschiene Kunst im öffentlichen Raum wird seit 2008 in einer Kooperation zwischen dem Land Tirol und der Künstler:innen Vereinigung Tirol durchgeführt und aus Mitteln des Landes Tirol finanziert. Für das Jahr 2025 wird diese zum fünften Mal unter einem von der Künstler:innen Vereinigung Tirol verfassten thematischen Schwerpunkt ausgeschrieben, der als inhaltliche Klammer beim Verfassen der Konzepte sowie bei der Umsetzung der Projekte dienen soll. Das Ziel des Förderschwerpunkts ist es, zeitgenössische Kunst- und Kulturprojekte im öffentlichen Raum zu fördern, um so die Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftlichen Fragestellungen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen und einen Dialog über kulturelle, soziale und politische Thematiken anzustoßen. Kunst im öffentlichen Raum soll Diskussionen auslösen und ein integrativer Bestandteil bei der Entwicklung von Perspektiven sein.
Den künstlerischen Formaten sind dabei keine Grenzen gesetzt. Es werden sowohl permanente skulpturale Kunstprojekte, temporäre Interventionen sowie partizipative, performative und dialogische Formate im öffentlichen ländlichen und städtischen Raum gefördert. Besondere Beachtung finden Projekteinreichungen, die ortsspezifisch angelegt sind, vermittelnde Formate berücksichtigen und denen eine nachhaltige Umsetzung inhärent ist. Um den Anteil an KÖR Projekten außerhalb von Innsbruck zu erhöhen, werden Projekteinreicher:innen ermutigt, Konzepte und Projekte auch außerhalb der Landeshauptstadt anzusiedeln. Um ein möglichst diverses Publikum erreichen zu können, sollten die Projekte eine Synergie zwischen künstlerischer Praxis und Alltagskultur darstellen. In diesem Sinne sind die Spielorte der Projekte so vielfältig wie die Projekte selbst und eröffnen die Möglichkeit, Kunst über die Grenzen von Kulturinstitutionen hinaus erfahrbar zu machen.
FORMALE KRITERIEN
ZIELGRUPPE
Die Ausschreibung richtet sich an Künstler:innen, Künstler:innenkollektive, Architekt:innen und Kurator:innen, die im Bereich der zeitgenössischen Kunst tätig sind und ihren (Wohn-)Sitz im EWR oder der EFTA haben.
DOTIERUNG
Die Aktion Kunst im öffentlichen Raum des Landes Tirol ist im Jahr 2025 mit EUR 80.000,- dotiert. Die Höhe der Förderung des Landes der zur Umsetzung empfohlenen Projekte aus dieser Aktion kann nach Empfehlung der Jury bis 100% der förderbaren Gesamtkosten betragen. Aus den eingereichten Projekten werden zwei bis drei Projekte zur Realisierung geladen.
JURY
Drei unabhängige Fachjuror:innen, die gemeinsam vom Land Tirol und der Künstler:innen Vereinigung Tirol bestellt werden, wählen aus den eingereichten Projekten aus und erarbeiten einen Fördervorschlag. Die Entscheidung über die Förderungen trifft das für kulturelle Angelegenheiten zuständige Mitglied der Tiroler Landesregierung.
MITGLIEDER DER JURY
Catrin Bolt (Künstlerin, Wien)
Katharina Hölzl (Künstlerin, Wien)
Lino Lanzmaier (Architekt, Innsbruck)
EINREICHUNGSUNTERLAGEN
Einreichungen bitte ausschließlich per E-Mail an koer-tirol@kuveti.at / Betreff: Einreichung KOER 2025
BEKANNTGABE JURYENTSCHEIDUNG
Herbst 2024
RECHTSGRUNDLAGEN
Aus der Einreichung entsteht kein Rechtsanspruch auf Förderung. Die Entscheidung der Jury kann nicht beeinsprucht werden. Die Zuerkennung der Fördermittel und die Abwicklung des Förderverfahrens obliegen dem Land Tirol im Rahmen der geltenden Subventionsrichtlinien. Die Realisierung der geförderten Projekte muss entsprechend dem Projektzeitplan erfolgen.
Hinweis zur Projektkalkulation: Eigenleistungen können zu einem Stundensatz gemäß dem Honorarspiegel der Fair-Pay Richtlinien in Österreich (www.kuveti.at/kulturpolitik-paytheartistnow/) in der Kalkulation angeführt und entsprechend dem Leistungsblatt der Aktion Kunst im öffentlichen Raum abgerechnet werden. Diese Richtlinie ist nur auf Förderverfahren im Rahmen der Aktion Kunst im öffentlichen Raum bezogen.
Der/Die Einreicher:in erklärt sich damit einverstanden, dass ihr/sein Name sowie eingereichtes Bildmaterial, Skizzen oder andere Visualisierungen z.B. für Medienberichte oder die Homepage des Landes Tirols sowie die Homepage www.koer-tirol.at veröffentlicht werden dürfen.
AUGENMERK
Sensibilität bezüglich Genderfragen und gesellschaftlichen Ausschlussmechanismen bei Konzeption und Umsetzung des Projekts wird erwartet.
Barrierefreie Zugänge zum jeweiligen Projekt sollen im Konzept bereits mitgedacht werden.
KONTAKT
Richten Sie Ihre Fragen gerne via koer-tirol@kuveti.at an Bettina Siegele und Cornelia Reinisch-Hofmann. Für eine Produktionsassistenz bzw. die technische Umsetzung vor Ort ist die/der Projektnehmer: in verantwortlich.
WEITERE INFORMATIONEN
Die Künstler:innen Vereinigung Tirol ist für die inhaltliche Ausrichtung, Ausschreibung, Bewerbungen und Bestellung der Jury verantwortlich. Während der Realisierungsphase kümmert sie sich um die Öffentlichkeitsarbeit und steht den Projektnehmer: innen beratend bei Fragen und Problemen im Zusammenhang mit den Projekten zur Seite.