2023

KöR Tirol 2023: Jurystatement

Die Jury von Kunst im öffentlichen Raum Tirol 2023 bestehend aus Jochen Becker (Kritiker und Kurator, Berlin), Lisa Mazza (Kuratorin, Bozen) und Esther Strauß (Künstlerin, Wien) empfiehlt nach der Sitzung am 6. Oktober 2023 die drei Projekte von Richard Schwarz, Angela Anderson/Ana Hoffner und Elena Romashka zur Umsetzung. Diese nehmen direkten Bezug auf den thematischen Open Call „ZEITENWENDE | TURN OF ERAS“. Sie erfüllen hiermit auf vielschichtiger Art und Weise die Ausschreibungskriterien und versprechen spannende und neue Perspektiven eröffnende Auseinandersetzungen mit gesellschaftspolitischen Fragen unserer Zeit wie dem Klimawandel, der Benachteiligung von Frauen oder dem gegenwärtige Krieg auf europäischem Boden:

Der aus Tirol stammender Künstler Richard Schwarz möchte mit seinem Projekt 5 nach 12 oder warum wir nicht bremsen können „die Zeit anhalten“. Im Rahmen des Projektes sollen in ganz Tirol an einem Tag so viele öffentliche Uhren wie möglich um 5 nach 12 stehen bleiben. Das Anhalten der Uhren für 12 Stunden möchte einen Rahmen schaffen, der zur Auseinandersetzung mit unserer Zeitkultur einlädt und die Frage stellt, was uns ein (zeitweiliges) Abweichen von der Uhrzeit ermöglichen könnte. Große Bedeutung kommt den Kommunikationsprozessen zu, die der Umsetzung der Arbeit vorangehen: Wie ist es um unserer Bereitschaft bestellt, die Uhren anzuhalten und – wenn auch nur für einen halben Tag – eine Zeitenwende einzuläuten? Und wie werden Medien und Öffentlichkeit dies interpretieren?

Das Projekt Paper Resistance von Elena Romashko überzeugte die Jury aufgrund der expliziten Bezugnahme auf die Konsequenzen des Angriffskriegs auf die Ukraine. Eine Gruppe von Papierkünstler:innen aus Weißrussland kommt für einen einmonatigen Aufenthalt nach Tirol und stellt gemeinsam mit hier lebenden Papierkünstler:innen Scherenschnitte aus Zeitungsseiten her, deren Bilder und Texte sich mit der politischen Situation in Osteuropa befassen. Ein Anliegen der Gruppe besteht darin zu untersuchen, wie traditionelle Kunstformen Leid lindern, Solidarität stärken und eine Ausdrucksform für individuellen und gemeinschaftlichen Protest bieten könnten. Darüber hinaus soll die Öffentlichkeit vor Ort in einen Diskurs über die Situation politischer Gewalt und die Möglichkeiten, wie traditionelle Kunst und Kultur diese reflektieren und ihr entgegentreten können, eingebunden werden.

Angela Andersons und Ana Hoffner -ex Prvulovic*‘s permanente Installation Hexenküche – Formerly Known As zielt schließlich darauf ab, die historische Erinnerung an die in die Märchen- und Sagenwelt verdrängten Figur der Hexe und damit die kulturelle Bedeutung der europäischen Hexenverfolgung durch die Transformation eines bestimmten physischen Ortes in Tirol zu verändern. Das Projekt basiert auf umfangreichen Recherchen zum spezifischen Standort der „Hexenkuchl“ oberhalb von Innsbruck sowie zu den feministischen Kämpfen um Abtreibungsrechte in Tirol und deren Aneignung der Figur der Hexe. An der sogenannten Hexenkuchl in der Mühlauer Klamm soll eine mehrteilige visuelle und skulpturale Arbeit installiert werden, die – sorgsam eingebettet in den Tiroler Alltag – eine kritische Sicht auf die Hexenverfolgung und die damit einhergehende Unterdrückung und Ermordung von Frauen eröffnen wird.

AUSSCHREIBUNG: Kunst im öffentlichen Raum Förderschwerpunkt 2023

ZEITENWENDE | TURN OF ERAS

2022 scheint in mehrfacher Hinsicht ein Zäsurjahr zu sein. Der Überfall Russlands auf die
Ukraine macht sichtbar, welche geopolitischen und globalwirtschaftlichen Auswirkungen ein
scheinbar regionaler Krieg auf europäischem Boden nach sich zieht. Die relative Sicherheit,
in der sich die Gesellschaften Europas in den letzten Jahrzehnten gewogen haben, scheint
sich dem Ende zu neigen. In unserer vernetzten Welt zeigt sich, dass lokale Konflikte
zwangsläufig globale Konsequenzen haben, die schwer zu steuern sind. Die berühmte
Metapher des Schmetterlingsflügelschlags, der Auswirkungen auf der anderen Seite der
Welt generiert, erweist sich als aktueller denn je. Was tun also angesichts drohender
Verwerfungen? Und wie kann Kunst auf diese aktuellen gesellschaftspolitischen
Fragestellungen reagieren?
Kunst im öffentlichen Raum Tirol 2023 lädt Künstler:innen dazu ein, Projekte vorzuschlagen,
die sich mit der gegenwärtigen Zeitenwende und deren möglichen Auswirkungen auf den
Lebensraum Tirol auseinandersetzen, aber auch Entwicklungsperspektiven jenseits des
Mainstreams vermitteln und so ungewöhnliche Denkanstöße für eine bessere Zukunft geben.

EINREICHFRIST: 16.09.2022

Datenblatt

Hier finden Sie das Datenblatt.

Allgemeines

Die Förderschiene Kunst im öffentlichen Raum wird seit 2008 in einer Kooperation zwischen
dem Land Tirol und der Tiroler Künstler:innenschaft durchgeführt und aus Mitteln des Landes
Tirol finanziert. Für das Jahr 2023 wird diese zum dritten Mal unter einem von der Tiroler
Künstler:innenschaft verfassten thematischen Schwerpunkt ausgeschrieben, der als
inhaltliche Klammer beim Verfassen der Konzepte sowie in der Umsetzung der Projekte
dienen soll. Das Ziel des Förderschwerpunkts ist es, zeitgenössische Kunst- und
Kulturprojekte im öffentlichen Raum zu fördern, um so die Auseinandersetzung mit aktuellen
gesellschaftlichen Fragestellungen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen und
einen Dialog über kulturelle, soziale und politische Thematiken anzustoßen. Kunst im
öffentlichen Raum soll Diskussionen auslösen und ein integrativer Bestandteil bei der
Entwicklung von Perspektiven sein.
Den künstlerischen Formaten sind dabei keine Grenzen gesetzt. Es werden sowohl
permanente skulpturale Kunstprojekte, temporäre Interventionen sowie partizipative,
performative und dialogische Formate im öffentlichen ländlichen und städtischen Raum
gefördert. Besondere Beachtung finden Projekteinreichungen, die ortsspezifisch angelegt
sind, vermittelnde Formate berücksichtigen und denen eine nachhaltige Umsetzung inhärent
ist. Um ein möglichst diverses Publikum erreichen zu können, sollten die Projekte eine
Synergie zwischen künstlerischer Praxis und Alltagskultur darstellen. In diesem Sinne sind
die Spielorte der Projekte so vielfältig wie die Projekte selbst und eröffnen die Möglichkeit,
Kunst über die Grenzen von Kulturinstitutionen hinaus erfahrbar zu machen.

FORMALE KRITERIEN

    • Der Ausschreibungstext soll als Ausgangspunkt und inhaltliche Klammer für das
      eingereichte Projekt dienen.
    • Die Projekte müssen in Tirol, im öffentlichen ländlichen oder städtischen Raum,
      umgesetzt werden und sich mit den spezifischen Gegebenheiten des jeweiligen
      ausgewählten Ortes auseinandersetzen.

Ausgewählte Projekte müssen innerhalb des Zeitraums März bis November 2023
realisiert werden können.

  • Nach Jury-Zuspruch ist die Voraussetzung für die Förderung des Landes das
    Vorliegen allfälliger für die Realisierung notwendiger Genehmigungen sowie eine
    Zustimmung der Standortgemeinde(n) zum eingereichten Projekt.
  • Ausgeschlossen sind die nachträgliche Förderung oder der Ankauf eines bereits
    realisierten Kunstwerks, klassische „Kunst am Bau“-Projekte, Publikationen, die nicht
    Teil eines Projekts sind sowie Veranstaltungen im öffentlichen Raum wie Konzerte
    oder Theateraufführungen ohne inhaltlichen Zusammenhang mit der Förderaktion.

 

ZIELGRUPPE
Die Ausschreibung wird international veröffentlicht und richtet sich an Künstler:innen,
Künstler:innenkollektive und Kurator:innen, die im Bereich der zeitgenössischen Kunst tätig
sind.

DOTIERUNG
Die Aktion Kunst im öffentlichen Raum des Landes Tirol ist im Jahr 2023 mit EUR 80.000,-
dotiert. Die Höhe der Förderung des Landes der zur Umsetzung empfohlenen Projekte aus
dieser Aktion kann nach Empfehlung der Jury bis 100% der förderbaren Gesamtkosten
betragen. Aus den eingereichten Projekten werden zwei bis drei Projekte zur Realisierung
geladen.

JURY
Drei unabhängige Fachjuror:innen, die gemeinsam vom Land Tirol und der Tiroler
Künstler:innenschaft bestellt werden, wählen aus den eingereichten Projekten aus und
erarbeiten einen Fördervorschlag. Die Entscheidung über die Förderungen trifft das für
kulturelle Angelegenheiten zuständige Mitglied der Tiroler Landesregierung.

MITGLIEDER DER JURY
Jochen Becker
Lisa Mazza
Esther Strauß

EINREICHUNGSUNTERLAGEN
Einreichungen bitte ausschließlich via Email an kultur@tirol.gv.at mit dem Betreff „Kunst im
öffentlichen Raum 2023“:

  • Ausführliche Projektbeschreibung inklusive Vermittlungsformate (max. 8
    Seiten, DIN A4): Text, Visualisierung in Form von Skizzen, Renderings oder
    Modellfotos.
  • Kosten- und Finanzierungsplan (Material- und Produktionskosten, Reise- und
    Unterbringungskosten, Honorare, Recherchekosten, Kosten für
    Produktionsassistenz vor Ort, Kosten für technische Umsetzung, Auf- und
    Abbau bzw. Wartung, Vermittlungsformate, projektbezogene
    Kommunikationsmittel)
  • Zeitplan für die Umsetzung des Projekts
  • Ausgefülltes Datenblatt (siehe www.koer-tirol.at)
  • Angaben zur/zu den Projekteinreicher:innen
  • Dokumentation bisheriger künstlerischer Tätigkeiten

BEKANNTGABE JURYENTSCHEIDUNG
Voraussichtlich Mitte Oktober 2022

RECHTSGRUNDLAGEN
Aus der Einreichung entsteht kein Rechtsanspruch auf Förderung. Die Entscheidung der
Jury kann nicht beeinsprucht werden. Die Zuerkennung der Fördermittel und die Abwicklung
des Förderverfahrens obliegen dem Land Tirol im Rahmen der geltenden
Subventionsrichtlinien. Die Realisierung der geförderten Projekte muss entsprechend dem
Projektzeitplan erfolgen.
Hinweis zur Projektkalkulation: Eigenleistungen können zu einem Stundensatz von max.
EUR 30,- bis zu 30 % der Gesamtkosten als Teil der Gesamtkosten in der Kalkulation
angeführt und entsprechend dem Leistungsblatt der Aktion „Kunst im öffentlichen Raum“
abgerechnet werden. Diese Richtlinie ist nur auf Förderverfahren im Rahmen der Aktion
„Kunst im öffentlichen Raum“ bezogen.
Der/Die Einreicher:in erklärt sich damit einverstanden, dass ihr/sein Name sowie
eingereichtes Bildmaterial, Skizzen oder andere Visualisierungen z.B. für Medienberichte
oder die Homepage des Landes Tirols sowie die Homepage www.koer-tirol.at veröffentlicht
werden dürfen.

AUGENMERK
Sensibilität bezüglich Genderfragen und gesellschaftlichen Ausschlussmechanismen bei
Konzeption und Umsetzung des Projekts wird erwartet.
Barrierefreie Zugänge zum jeweiligen Projekt sollen im Konzept bereits mitgedacht werden.

KONTAKT
Richten Sie Ihre Fragen gerne via koer-tirol@kuenstlerschaft.at an Cornelia Reinisch-
Hofmann, die die ausgewählten Projekte in kuratorisch-inhaltlichen sowie
produktionstechnischen Belangen mitbegleiten wird. Für eine Produktionsassistenz bzw. die
technische Umsetzung vor Ort ist die/der Projektnehmer:in verantwortlich.